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Die "Denkwürdigkeiten" des Daniel Paul Schreber

Verantwortlicher Autor: Schura Euller Cook Wien, 15.04.2021, 19:15 Uhr
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Wien [ENA] Das Buch "Die Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken" von dem deutschen Juristen Daniell Paul Schreber (1842-1911) ist in vieler Hinsicht interessant. Es ist die Autobiografie eines Menschen, der durch die Hölle seelischer Verzweiflung geht und kaleidoskopartig Gedankenmuster entwirft, die seine göttlichen, erotischen oder physikalischen Visionen zu einem großen Fantasiegebäude zusammenführen.

Schreber beschreibt sie als "Visionen vom Weltuntergang -zum Teil grausiger Natur, zum Teil von unbeschreiblicher Großartigkeit". Wäre da nicht dieser fragile Mensch, der von der Übermacht seiner Fantasien und Sensibilitäten diabolisch gepeinigt wurde, könnte man seine Beschreibungen übersinnlicher Wahrnehmungen durchaus ernst nehmen. Dabei fing sein Leben so vielversprechend an. Sohn des Pädagogen und Orthopäden Moritz Schreber, dem Namensgeber der späteren Kleingarten-Bewegung, studierte er Jus und wurde 1893 Senatspräsident. Doch im engen Korsett beruflichen und gesellschaftlichen Aufstiegs, taten sich plötzlich die Abgründe seiner Persönlichkeit auf. Alice Miller versuchte Schreber als Opfer einer schwarzen Pädagogik zu erklären.

Weder Freuds Theorie, dass der männlichen Paranoia ein verdrängter homosexueller Konflikt zugrunde liegt, noch Canettis These von der "Herrschaft und Paranoia" werden der tiefen weltanschaulichen und politischen Veränderung gerecht, die der Fall Schreber symbolisiert. Kein Wunder also, dass die psychoanalytische Bewegung von diesem Fall fasziniert war, der sich so offen für Interpretationen jeder Art zeigte. Auch die Kultur zeigt sich noch heute beeindruckt. So hat Alvis Hermanis die Grals-Suche seiner Parsifal Inszenierung an der Wiener Staatsoper in die Psychiatrie der Steinhof-Gründe verlegt. Zutiefst verzweifelt schreibt Schreber, "Das Bild meines Martyriums ist in seiner Gesamtheit nur mit dem Kreuzestod Jesu Christi vergleichbar.

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