Weltkarte des Lebens
Wien [ENA] Vielleicht ist die Zeit schon vorbei, in der uns die Wissenschaft mit hoffnungsvollen Meldungen zu verwöhnen suchte und die der Leser als Weg in eine sorgenfreie Zukunft wertete. Der Fortschrittsglaube hat heute bestenfalls einem Zynismus Platz gemacht, der im Wortspiel Überheblichkeit und Verzweiflung erkennen lässt. So soll die "Weltkarte des Lebens" zeigen, dass es noch unbekannte Wesen zu entdecken gibt.
Das Forschungsinteresse der Biologen der Yale Universität um Walter Jetz beschäftigt sich mit der Wahrscheinlichkeit Refugien von unbekannten Wirbeltierarten zu finden. Denn alle Lebewesen auf dem Planeten sollen in einem globalen Datenbankprojekt kategorisiert werden.Eigenartig zynisch sind die Erklärungen für dieses aufwendige Projekt. Denn angesichts des Tempos der Umweltzerstörung besteht ja kein Zweifel, dass viele Arten aussterben werden, ehe wir sie entdeckt haben. Die Reaktionen zu solchen Veröffentlichungen zeigen durchaus, wie zutiefst hilflos und schmerzhaft auf solche "großartigen " Forschungsprojekte reagiert wird, die oft nur noch einen bitteren Zynismus erlauben. So findet sich zum Beispiel folgender Kommentar:
"Auf, auf, hinfahren, suchen, alles niedertrampeln. Es wird doch wohl noch möglich sein, auch die auszurotten." Natürlich ist das nicht ernst gemeint, aber es berührt doch das Thema Kynismus-Zynismus, das in der "Kritik der zynischen Vernunft" von Peter Sloterdijk 1983 großes Aufsehen erregt hat und das Gefangensein in einem Teufelskreis von Kynismus und Zynismus thematisierte. Dabei war der Kynismus, aus dessen Wortstamm der Zynismus wurde, eine Strömung der antiken Philosophie, die zurück zur Ethik der Natur wollte. Diese radikale Ethik zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und wie Thomas Anz schreibt, "der Kyniker provoziert den Zyniker von unten, spielt gegen die Vormacht des Zynikers eine anarchische Gegenmacht aus."